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Schlafen – bewusstlos, wehrlos und handlungsunfähig dem Säbelzahntiger ausgeliefert. Potentiell bestand bei unseren Vorfahren durch Schlafen jedes Mal Lebensgefahr. Trotzdem hat die Evolution Schlaf positiv selektiert. Schlaf ist also derart nützlich und unverzichtbar für den menschlichen Organismus, dass es sich lohnte, dafür regelmäßig sein Leben aufs Spiel zu setzen.
Nothing in biology makes sense except in the light of evolution. – Theodosius Dobzhansky
Welche wichtigen Funktionen hat Schlaf für den Menschen? (5)
- Körperliche Regeneration durch die Ausschüttung von Wachstumshormonen
- Verbesserung / Stärkung des Immunsystems
- Neutralisation von oxidativem Stress
- Verarbeitung der täglichen Erlebnisse
- Sortieren von Nervenverbindungen im Gehirn
- Gedächtnisbildung und LernenNächtliche Gehirnwäsche
Mit der Entdeckung des glymphatischen Systems im Jahr 2012 wurde eine weitere Notwendigkeit entdeckt, warum wir schlafen. Das glymphatische System entsorgt zelluläre Abfallstoffe und Proteine aus dem Gehirn und das vor allem nachts während des Schlafs. (3,4). Schlaf ist also dazu da, das Gehirn von Abfallstoffen zu reinigen, die anfallen, während wir wach sind. Funktioniert das glymphatische System nicht gut, kann das zur Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer beitragen. (6)Was passiert bei Schafmangel und/oder schlechter Schlafqualität? (1,5,8)
- geschwächtes Immunsystem und erhöhte Infektanfälligkeit (Erkältung, Grippe, Gastritis,Lungenentzündung)
- Entstehung einer „Low-grade inflammation“ und assoziierter Erkrankungen wieÜbergewicht, Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauferkrankungen, Asthma, chronische Schmerzen,einige Krebsarten
- Erhöhter Stress mi Aktivierung des Sympathischen Nervensystems und der HPA-AchseLies hierzu auch den Artikel Stress und Covid 19 +Verlinkung von Kornelius Schaupp.
- Depression, Ängstlichkeit, Unruhe
- Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit,
- Erhöhte UnfallgefahrWenig Schlaf ist also schlecht fürs Immunsystem. Abwehrzellen, die infizierte Zellen suchen, erkennen und abtöten, können dann schlechter arbeiten. Die Fähigkeit infizierte Zellen abzutöten wird damit reduziert (2).Schlaf wird durch den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus sowie die eigene innere biologische Uhr reguliert. Die Regulation ist abhängig von Licht und dem Zusammenspiel von verschiedenen Hormonen.Glückshormone, Schlafhormone und Stresshormone
Die genaue Erklärung der Regulation des Schlafs würde diesen Artikel sprengen. Daher wird an dieser Stelle auf das Zusammenspiel von unserem Glückshormon Serotonin, unserem Schlafhormon Melatonin und dem Stress- bzw. Aktivitätshormon Cortisol und deren Einfluss auf Schlaf eingegangen.
Cortisol hat morgens seine höchste Konzentration, macht uns wach und aktiv und fällt dann natürlicherweise im Tagesverlauf ab. Mit abnehmender Cortisolkonzentration und der Abnahme von Tageslicht am Abend wird dann unser Schlafhormon Melatonin gebildet, das uns müde macht.
Die Cortisolkurve und Melatoninkurve verlaufen also genau gegensätzlich.
Bildung von Melatonin
Das Schlafhormon Melatonin wird aus unserem Glückshormon Serotonin gebildet. Serotonin wird wiederum aus der Aminosäure L-Tryptophan hergestellt. Für beide Umwandlungsprozesse sind Kofaktoren notwendig. Zu den Kofaktoren zählen B- Vitamine, Magnesium, Zink, Folsäure und S- Adenosylmethionin.
L-Tryptophan ist eine essenzielle Aminosäure und muss daher über die Nahrung aufgenommen werden. Zur tryptophanreichen Nahrung zählen: Eier, Spinat, Fisch (Sardinen, Tunfisch, Lachs, Heilbutt), Spargel und Geflügel.
Auch Serotonin kann über die Nahrung aufgenommen werden. Serotoninreich sind: Kirschen, Kiwis, dunkle Schokoloade, Bananen, Eier, Nüsse oder Avocados. (9) (Danke an Chantal Amend für die Graphik)
Halten wir bis hierher fest:
Du brauchst also genug von der Aminosäure L-Tryptohan, damit am Ende Melatonin gebildet werden kann. Und: die Melatoninbildung ist abhängig von Dunkelheit.
Hast du viel Stress, deine Cortisolwerte sind also erhöht und senken sich im Tagesverlauf nicht ab, beeinträchtigt das ebenfalls deinen Schlaf und die Produktion von Melatonin.
Und schließlich führt eine „Low-grade inflammation“ mit erhöhten Entzündungsbotenstoffen (Zytokinen) dazu, dass Tryptophan nicht mehr ausreichend in Serotonin umgewandelt wird, sondern in L-Kynurenin. (Danke an Chantal Amend für die Graphik)
Störfaktoren für die Bildung von Melatonin und damit negative Beeinflussung deines Schlafs und auch deines Immunsystems sind also:
- Mangel an L-Tryptophan
- Mangel an Kofaktoren
- zu viel Licht bzw. zu wenig Dunkelheit
- dauerhafter Stress und dadurch erhöhte Cortisolwerte
- Low-grade Inflammation, die auch die Stressachse aktiviertSolltest du an einer Fruktoseintoleranz leiden, kann es auch zu einem Tryptophanmangel kommen. Fruktose bildet im Darm einen Komplex mit Tryptophan, so dass dieses nicht mehr aufgenommen werden kann.
Was kannst du also selbst tun, um deinen Schlaf und damit dein Immunssystem zu optimieren?
- Achte bei deiner Ernährung auf die Zufuhr von tryptophanreicher Nahrung.
- Achte auf genug Kofaktoren.
- Tanke morgens Sonnenlicht, das ist eine Voraussetzung für die Melatoninproduktion amAbend.
- Meide künstliches, blaues Licht am Abend, z.B. durch eine Blaulichtfilterbrille sowieBlaulichtfilter für Bildschirme, Laptops, Smartphones und Tablets. Verwende abends lieberwarme, weniger helle Lichtquellen wie Kerzenschein.
- Gestalte dein Schlafzimmer nachts wirklich dunkel.
- Meide Alkohol.
- Kein Kaffee nach 14 Uhr.
- Low-grade Inflammation: hier solltest du mit einem Coach, Therapeuten gemeinsam die Ursache herausfinden und dann angehen!
- Senke dein Cortisol durch Dankbarkeit, Achtsamkeit, Meditation, Yoga, Waldbaden, Atmen.
Die einfachste Atemübung die du machen kannst, ist 4 Sekunden einatmen und 6 Sekunden ausatmen. Dadurch verbessert sich nachweislich die Schlafqualität und der parasympathische Teil des Nervensystems wird aktiviert (7). Der Parasympathikus, auch „rest and digest“ genannt, ist zuständig für Reparatur- und Regenerationsprozesse im Körper.
Mein Tipp: Mache diese Übung 30 Tage lang für 15 Minuten am Tag insbesondere abends und beobachte, was passiert!
LITERATUR
(1) Besedovsky L, Lange T, Haack M. The Sleep-Immune Crosstalk in Health and Disease. Physiol Rev. 2019 Jul 1;99(3):1325-1380. doi: 10.1152/physrev.00010.2018. PMID: 30920354; PMCID: PMC6689741.(2) Dimitrov S, Lange T, Gouttefangeas C, Jensen ATR, Szczepanski M, Lehnnolz J, Soekadar S, Rammensee HG, Born J, Besedovsky L. Gαs-coupled receptor signaling and sleep regulate integrinactivation of human antigen-specific T cells. J Exp Med. 2019 Mar 4;216(3):517-526. doi: 10.1084/jem.20181169. Epub 2019 Feb 12. PMID: 30755455; PMCID: PMC6400544.(3) Hauglund NL, Pavan C, Nedergaard M. Cleaning the sleeping brain – the potential restorative function of the glymphatic system
(4) Jessen NA, Munk AS, Lundgaard I, Nedergaard M. The Glymphatic System: A Beginner’s Guide. Neurochem Res. 2015;40(12):2583-2599. doi:10.1007/s11064-015-1581-6
(5) Keferstein (2020). Praxishandbuch Schlafoptimierung. Durch besseren Schlaf zu mehr Lebensenergie Pflaum Verlag, München
(6) khoury, rita & Boulos, Nathalie. (2019). THE GLYMPHATIC SYSTEM AND ALZHEIMER’S DISEASE. IPA Bulletin. 36. 9.
(7) Laborde, S.; Hosang, T.; Mosley, E.; Dosseville, F. Influence of a 30-Day Slow-Paced Breathing Intervention Compared to Social Media Use on Subjective Sleep Quality and Cardiac Vagal Activity. J. Clin. Med. 2019, 8, 193. https://doi.org/10.3390/jcm8020193
(8) Medic G, Wille M, Hemels ME. Short- and long-term health consequences of sleep disruption. Nat Sci Sleep. 2017;9:151-161. Published 2017 May 19. doi:10.2147/NSS.S134864
(9) Pruimboom, L. & Reheis, D. (2020). Werde wieder Mensch. Plumtree Editorial, Den Haag.